Wir bereisen das grösste Land der Welt: Russland

Wladimir Lenin
Wladimir Lenin

Einige Informationen: Für Russland brauchten wir Visa, die man im voraus in einer russischen Botschaft oder über eine Visa-Agentur beantragen kann. Wir haben über eine Agentur sogenannte Geschäftsvisa beantragt, mit denen man 90 Tage durch Russland reisen darf. Damit darf man zwei mal in das Land einreisen. Dieses ermöglichte uns den Besuch von Kaliningrad. Für diese Visa braucht man eine Einladung aus Russland und das geht einfacher über eine Agentur, als wenn man Visa selber beantragt. Voraussetzung für die Visa ist der Nachweis einer Krankenversicherung. Deckungssumme mindestens 30.000 Euro.

Einreise
Am 1. Juli erreichen wir von Georgien aus die Grenze zu Russland
Wir haben in anderen Reiseberichten gelesen, dass es dort unfreundlich zugehen soll, und die Wartezeiten lang sind. Um also an der Grenze nicht zu verhungern oder gar zu verdursten, nehmen wir genug Proviant, Getränke und jeder einen Ersatznerv mit.
Vor der Grenze passieren wir eine lange Schlange LKW.
Am ersten russischen Zollhäuschen werden die Pässe kontrolliert und wir bekommen eine Migrationskarte zum Ausfüllen. Das erledigen wir während der Wartezeit. Wir stehen einige Meter vor dem nächsten Zollhäuschen. Hier muss man auf die weißen Linien am Boden und das Stoppschild achten. Man soll immer vor der weißen Linie mit seinem Fahrzeug stehen und auf das Zeichen der Zollbeamten warten, ehe man weiter fährt. Ganz korrekt stehen wir und warten, innerlich vorbereitet auf eine lange, nervige bürokratische Prozedur.

Als wir an der Reihe sind, winkt der Zöllner uns beide gleichzeitig zu sich. Wir müssen alle Koffer und Taschen aufmachen.
Dann fragt er, ob wir Medikamente dabei haben und wozu wir sie benötigen und warum wir sie mitgenommen haben. Der Zöllner ist mit meinen Erklärungen zufrieden. Er sieht, dass die Menge, die wir mitführen, nur für den Eigenbedarf ist und wir keine Apotheke eröffnen wollen.

Das abstempeln der Migrationskarten und der Pässe ist schnell erledigt.

Weiter geht es mit dem Ausfüllen der Formulare für die zeitbegrenzte Einfuhr der Motorräder. Auch hier haben wir wieder Glück und bekommen ein Formular in englischer Sprache, was wohl nicht immer vorhanden ist. Trotzdem ist diese Beamtensprache für uns nicht ganz einfach zu entschlüsseln und was genau sie wissen wollen. Ein aufmerksamer Zöllner sieht unsere ratlosen Gesichter und bringt uns ein Musterformular.
Bis wir uns da durchgeackert haben, vergeht einige Zeit. Dann geben wir die Formulare ab, samt Fahrzeugschein und grüner Versicherungskarte, damit alles auf Korrektheit überprüft werden kann. 5 Minuten später hört man im 3. und letzten Zollhäuschen die Stempel knallen und wir dürfen die russische Grenze passieren.

Inklusive Wartezeit waren wir 2 Stunden dort, die Zöllner freundlich und hilfsbereit.
Das hatten wir uns schlimmer vorgestellt!

Direkt hinter der Grenze entdecken wir Wechselstuben und tauschen einige Euros in Rubel. Zufrieden kaufen wir uns eine Cola, setzen uns auf eine Bank neben unsere Motorräder, schmauchen ein Zigarettchen und beobachten den langen Stau Richtung Georgischer Grenze. Noch mal bestaunen wir die hohen kaukasischen Berge und nehmen Abschied von diesem Gebirge. Von links kommt ein Uniformierter eiligen Schrittes auf uns zu. Er wedelt mit den Armen, kreuzt die Unterarme…bedeutet das nicht Handschellen oder gar Festnahme? Anscheinend tun wir etwas verbotenes, aber was? Er kommt näher, deutet auf unsere Zigaretten und hinter uns auf ein riesiges „Rauchen Verboten“ Schild…ja, sind wir den blind…und ab jetzt wissen wir, dass in Russland Rauchverbote unbedingt einzuhalten sind.

Wir entschuldigen uns, machen schnell unsere Kippen aus und fahren weiter.

Unser nächstes grosses Ziel im grossen Russland liegt 2000 km entfernt. Moskau. Bis dahin werden wir einige Tage unterwegs sein.

Wladikawkas
Da wir dachten, dass der Grenzübertritt ewig dauern würde, haben wir vorsorglich, um Stress zu vermeiden, in Wladikawkas ein Hotel vorgebucht. Die Fahrt dauert ca. 1 Stunde.
An den Strassenverkehr müssen wir uns nicht gewöhnen, so wie in manch anderen Ländern. Die Strassen sind breit, gut ausgebaut und die anderen Verkehrsteilnehmer überraschend entspannt, auch in den Städten. So sind wir schon gegen Mittag an unserem heutigen Übernachtungsort.

Information: In Russland, als Besucher, muss man innerhalb der ersten 7 Tage bei der Migrationsbehörde registriert werden. Diese Registrierung muss der Gastgeber vornehmen, also die Rezeptionen in Hotels, auf Campingplätzen, Gastgeber von Airbnb, auch Privatpersonen u.s.w. Würde man nur wild campen, müsste man diese Registrierung selber vornehmen.

So werden wir in diesem Hotel zum ersten mal in Russland registriert. Pässe und Migrationskarten werden eingescannt und in die Registrierungszentrale weitergeleitet.

Ein Minimum an Kommunikation ist wichtig. Wie gut, dass es den google-Übersetzer gibt. Dafür benötigen wir mobiles Internet. Da wir früh am Übernachtungsort sind, haben wir viel Zeit und machen uns auf in die Stadt. Für 10 Euro pro Handy kaufen wir je eine SIM-Karte (Beeline) mit unbegrenztem Internet für einen Monat. Die Freischaltung wird sofort vorgenommen.

Wir setzen uns in ein Cafe, denn wir wollen dieses neue, unbekannte Land und Wladikawkas auf uns wirken lassen. Harmonisch sieht es aus. Wunderschöne, alte, gut renovierte Gebäude, gross angelegte Parks und Fussgängerzonen. Das romantische Tüpfelchen auf dem i sind die Strassenbahnen. Sie sind bunt, fahren und bimmeln alle paar Minuten vorüber.

Hier, wie auch auf der weiteren Reise, stellen wir fest, dass die öffentlichen Verkehrsmittel überwiegend von Frauen gelenkt werden und es sind immer Frauen, die die Fahrkarten verkaufen und kontrollieren.

Russland hat keine Platzprobleme, stellen wir fest. Im Stadtzentrum hier und auch in anderen russischen Städten, sind die linken und rechten Fahrspuren durch breite Promenaden getrennt. Dort wachsen grosse alte Bäume und es stehen viele Bänke zum Ausruhen bereit. Die Bäume liefern Sauerstoff und kühlen bei Hitze die Luft ab.

Bis zum späten Nachmittag bummeln wir durch die Stadt und sind sehr positiv überrascht von Wladikawkas.

Rostow am Don
Am nächste Morgen starten wir Richtung Rostow am Don. 700 km entfernt von Wladikawkas.

Die Strassen sind super, das Wetter perfekt. Die Strecke geht endlos geradeaus. Links und rechts wachsen Sonnenblumen auf Feldern, die bis zum Horizont reichen. Regelmässig gibt es irgendwelche Denkmäler an der Seite.

Rostow am Don ist das politische, kulturelle und wirtschaftliche Zentrum Südrusslands und eine der größten Städte im europäischen Teil der russische Föderation. Von der Bevölkerung her ist es eine sehr junge, moderne und attraktive Stadt.. Die Gebäude, Sehenswüdigkeiten, Kirchen und Parks sind beeindruckend.
Wir bleiben zwei Tage in der Stadt.

Weiter geht es auf endlosen, langweiligen Geradeausstrecken an der ukrainischen Grenze entlang. Unser Ziel ist die 700 km enfernte Stadt Jelez. Wir passieren eine Stadt nach der anderen. Alle im gleichen sowjetischen Stil. Es scheint, als ob die Städte sich endlos ausbreiten. Die Zentren sind schön, kunstvoll und mit beindruckenden Gebäuden ausgestattet. Ausserhalb sehen wir nur hässliche Plattensiedlungen. Dafür sind die Dörfer ein Hingucker…

Russisches Holzhaus
Russisches Holzhaus

An einem Rastplatz machen wir eine Pause. Es ist heiß und wir halten an einem Früchtestand…jetzt ein Stückchen Melone, das wäre super. Die Spucke läuft uns im Mund zusammen…ob man auch eine halbe Melone kaufen könnte? Ehe wir auf diese Frage eine Antwort finden, kommt der Melonenverkäufer und will sich mit uns unterhalten. Mit google-Übersetzer geht das recht gut. Er will wissen, woher wir kommen und wohin die Reise geht…und schenkt uns jedem ein grosses Stück Melone. Dankbar geniessen wir diese köstliche Erfrischung. Nein, der Melonenverkäufer will keinen Rubel für diese Erfrischung haben. Er hat anderes im Sinn. Er umkreist die Motorräder und deutet dann mit seinem Zeigefinger auf die Enfield…seine Gesten sagen deutlich: „Ich will da mal eine Runde mit fahren.“ Aber da bleibe ich hart. Nein, ich lasse keinen Fremden auf meinem Motorrad fahren, auch nicht für ein Stück geschenkter Melone. Womöglich stehe ich hinterher mit einem Melonenstand da, aber ohne Motorrad. Der Verkäufer wirkt nicht nur enttäuscht, sondern auch irgendwie beleidigt.
Wir machen uns dann besser mal auf die Weiterfahrt…

…und prompt ist es vorbei mit heissem Melonenwetter. In der Ferne ziehen dicke schwarze Wolken auf, die dann ihre Schleusen öffnen, als wir unter ihnen her fahren. Der Regen ist wie eine Wand. Wir haben keine andere Wahl. Da müssen wir durch. Wir verringern die Geschwindigkeit und dümpeln am Strassenrand. Autos und Lastwagen rasen rücksichtslos mit geringem Abstand an uns vorbei.
Wir machen uns gegenseitig Mut und sagen: Guck mal, ich glaube, da hinten habe ich blauen Himmel gesehen…und so ist es auch. Nach Regen folgt Sonnenschein. So schnell der Regen kommt, geht er auch wieder. Das ist ein herrliches Gefühl, wenn man plötzlich wieder Sicht hat und die Sonnenstrahlen einen wärmen. Dieses „Glück“ erleben wir an diesem Tag gleich drei mal.

Jelez
Müde und geschafft erreichen wir Jelez. Über booking finden wir ein billiges Hostel. Zweibettzimmer mit Küche, aber nur eine mickrige Kochplatte. Das ganze wirkt wie ein Studentenheim.
Wir haben Hunger…Hunger auf salziges und entscheiden uns, in der Stadt etwas Essbares zu suchen. „Gyros Pitta“, steht gross an einem Imbiss. Da schlägt das Griechenherz gleich höher.
In Erwartung auf ein köstliches Essen, bestellen wir, aber schon die Beobachtung der Zubereitung lässt Böses ahnen. Die fertige Pitta, mit Fladenbrot, Pommes, Fleisch und Sosse, wird samt Plastikverpackung in die Mikrowelle gelegt und aufgewärmt. Es „duftet“ leicht nach Gammelfleisch. Wir schnuppern nur an dieser Pitta, lassen sie stehen und gehen….Durchfall können wir jetzt gerade nicht gebrauchen. Uns ist der Appetit auf fastfood vergangen. Wie zwei hungrige Wölfe, schlecht gelaunt und langsam „bissig“ werdend, durchstreifen wir die Stadt. Der Magen hängt auf „halb Acht“. Das Zentrum besteht aus einem riesigen Platz, der fast menschenleer ist, lediglich ein paar Jugendliche füttern Tauben und versuchen sie zu fangen.
Um die Ecke dann die Erlösung. Ein Supermarkt. Wir entscheiden, auf der kleinen Kochplatte im Hostel ein Menue zu zaubern. Bratkartoffeln mit Wurst, Eiern und Tomatensalat. Nichts anderes kann jetzt besser schmecken. Zur Feier des Tages eine Cola und ein Fläschchen Wodka. Hinterher ein Zigarettchen…und schon ist die Laune wieder gut und und der Bauch voller Glücksgefühle.

Am nächsten Tag wollen wir endlich die Hauptstadt Moskau erreichen. Aber der Wettergott macht uns einen Strich durch die Rechnung. Es regnet und regnet, die Sicht ist schlecht, der Verkehr wird immer dichter…nach 280 Kilometern geben wir auf und suchen uns eine Unterkunft in einem Dörfchen.
Was in Russland auffällt: Die kleinen, eher privat wirkenden Unterkünfte, haben meistens kein Schild „Hostel xy“ oder ähnliches. Wenn man Glück hat, gibt es eine Hausnummer, ansonsten muss man des öfteren auch suchen oder Einheimische fragen.
Für diese Nacht haben wir ein winziges Zimmerchen, Gemeinschaftsbad, Gemeinschaftsküche mit Aufenthaltsraum. So sind viele Hostels an unserer Route ausgestattet. Deswegen kochen wir auch meistens selber.
Kaum sind wir aus unseren nassen Klamotten geschlüpft, hört der Regen auf und die Sonne kommt hervor. Zeit für einen Spaziergang und um Einkaufen zu gehen.
In diesem Dorf mit idyllischem See, gibt es neben hübschen, alten Holzdatschas auch viele zerfallene Holzhäuschen, neue Einfamilienhäuser, Plattenbauten, schlaglochübersäte Wege und einen Supermarkt.

Hauptstadt Moskau.
Drei Tage lang nehmen wir uns Zeit für die russische Hauptstadt. Über 13 Millionen Menschen leben hier. Die Stadt hat sich seit Anfang der 1990er-Jahre von einer der preiswertesten zu einer der teuersten Städte der Welt entwickelt! Trotzdem finden wir ein bezahlbares Hotel fast im Zentrum.
Nachdem wir uns eingerichtet haben, machen wir einen Spaziergang und staunen über die Häuser und Gebäude. In Moskau sind etwa 80 Prozent des Finanzpotenzials des Landes konzentriert und das sieht man überall! In dieser Stadt wohnt die weltweit dritthöchste Anzahl an US Dollar Milliardären.. .alles das ist nicht zu übersehen! Gepanzerte Limousinen, Luxusautos, Glanz und Gloria…daneben gibt es auch bittere Armut. Wie überall in den grossen Weltstädten.

Wir laufen und laufen und finden uns plötzlich auf dem roten Platz wieder. Peng! Dass wir so nah am Zentrum sind, haben wir gar nicht realisiert. Das, was wir bisher nur von Bildern, aus Filmen und Berichten kannten, sehen wir mit eigenen Augen, stehen da mittendrin und staunen. Der Platz ist riesig und rundherum die Kirchen, der Kreml, die imposanten Gebäude…ein überwältigendes Gefühl.

Am nächsten Tag geht unsere Erkundungstour weiter. Das Leninmausoleum befindet sich am roten Platz und vor dem Eingang staut sich eine endlose Schlange von Menschen. Es dürfen immer nur ganz wenige Leute gleichzeitig in das Mausoleum, die für ein Eintrittsgeld den Verstorbenen sehen wollen. Wir sparen uns das Eintrittsgeld und die Warterei.

Interessanter ist das 100 Jahr alte 75.000 m² grosse Einkaufszentrum GUM direkt am roten Platz. Bis 30.000 Besucher kommen täglich hierher. Das alte Gebäude ist bombastisch ausgestattet und breitet sich über mehrere Ebenen aus. Es finden sich sämtliche teuren Geschäfte, die man sich nur denken kann…Prada, Gucci, Lacoste, Swatch und Marken, von denen wir noch nie gehört haben. Selbst die Benutzung der historischen Toiletten, die aus den Zeiten Alexanders des III stammen, kostet 200 Rubel, ca. 3 Euro. Da wird Pipimachen zum Luxus.
Als Motorradreisende, die auf jedes Gramm Gewicht achten müssen, staunen wir nur über all die Pracht und kaufen nichts.
George, der Glückspilz, muss keine Sorge haben, denn ich stehe nicht auf Pradahandtaschen oder funkelnde Diamanten.

In den drei Tagen Moskau sehen wir nur einen Bruchteil von dem, was die Stadt zu bieten hat. Hier könnte man viel mehr Zeit verbringen und würde jeden Tag etwas neues entdecken…aber irgendwann sind die Füsse platt gelaufen und die Masse von Menschen fällt einem auf den Wecker.

Uns steht ja noch eine riesige Stadt bevor: St. Petersburg. 700 km entfernt von Moskau. Es gibt eine Autobahn, deren Benutzung für jeden von uns 30,- Euro kosten würde. Wir wählen die kostenlose Alternative, die gut ausgebaute M 10 und kleinere Nebensträsschen.

Naturschutzgebiet Waldai
Zwischen Moskau und St. Petersburg liegt das Naturschutzgebiet Waldai. Die Natur ist wunderschön und es gibt viele alte Dörfchen mit alten, winzigen Holzhäusern. Daran können wir uns kaum satt sehen. Sie sind so liebevoll verschnörkelt und bunt angestrichen. Sie sind wirklich winzig und viele Besitzer bauen an. Wenn es gut läuft, passen die Anbauten zum Stil der alten Häuser. Wenn nicht, sieht es schäbig aus. Das ist sicher auch eine Geldfrage.

Wir zelten für einige Tage im Naturschutzgebiet Waldai. Es ist bewölkt und ab und zu gibt es ein bisschen Regen aber es ist warm. Und das treibt die Mücken zu unglaublicher Vermehrung an…das nervt.

St. Petersburg
Am 14. Juli Erreichen wir St. Petersburg.

St. Petersburg
St. Petersburg

Diesmal finden wir keine günstige Unterkunft in der Nähe des Zentrums und so buchen wir ein Zimmer im Hostel „Helen‘s Home“, 14 km vom Zentrum entfernt. Sichere Parkpätze im Innenhof, netter Garten und auch hier wieder Küche und Gemeinschaftsbad.
Die Bushaltestelle ist direkt vorm Haus. Mit der Linie 531 geht es zum Bahnhof. Dort muss man umsteigen und mit der 22 bis zum Zentrum fahren. Die Fahrt kostet uns 1€/Person. Gemütlich im Bus sitzend ist das fast wie eine kleine Sightseeing Tour. Man bekommt einen guten Eindruck, wie St. Petersburg rund um das Zentrum aussieht. Auch hier sind es wieder nur Frauen, die die Busse fahren und die Fahrkarten im Bus verkaufen…und bei ihrem Job tragen sie Pantoffel. Die Strassenschuhe stehen sauber abgestellt unter einem Sitz.

Bis zum Rande der City wird jede Station nur auf Russisch angesagt. Astanovka…danach auch auf Englisch, da, wo mehr Touristen zusteigen.

St. Petersburg ist nicht so gross wie Moskau, hat knapp 6 Millionen Einwohner.
In der wechselvollen Geschichte Russlands, hiess die Stadt von 1914 bis 1924 Petrograd. Von 1924 bis 1991 Leningrad und dann wieder St. Petersburg. Vom 18. bis 20. Jahrhundert war sie Hauptstadt des russichen Kaiserreiches. Von den Bewohnern wird sie liebevoll Pieter genannt.
Wir haben bisher keine schönere Stadt gesehen, als St. Petersburg.
Die Stadt besitzt heute neben den 250 Museen ungefähr 4000 geschützte Kultur-, Geschichts- oder Baudenkmäler. 15% der Gebäude in Sankt Petersburg. insgesamt rund 2400 Gebäude, wurden von der UNESCO als Denkmäler der Architekturgeschichte eingestuft.
Es macht Spass, durch die Stadt zu laufen und es wird nicht langweilig. Überall gibt es etwas zu entdecken und zu fotografieren.

Unzählige Musiker ziehen uns in ihren Bann.

St. Petersburg ist wirklich die schönste Stadt der Welt! Ein Besuch ist eine Reise, auf der man zugleich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sehen kann.

Vier Tage sind wir in der Stadt geblieben und wie schon in Moskau, waren das definitiv zu wenig Tage. Aber irgendwann kann man auch nichts mehr aufnehmen, die Füsse sind platt und man sehnt sich nach Ruhe und Natur.

Im Hostel planen wir unsere weitere Reise. Wir wollen weiter nach Norden fahren. In Karelien soll es unberührte Naturgebiete geben.. und dann kommt der Polarkreis und die Stadt Murmansk.Vor dem Nordpol rechts ab, geht es zur Halbinsel Kola.
Teriberka steht auf dem Plan, genannt das „russische Nordkap“. Gesamte Strecke 1500km.

Da die Enfield neue Bremsbeläge, eine neue Kette, Zündkerzen und George neue Handschuhe braucht, besuchen wir die Motorradwerkstatt Bike Land in St. Petersburg, ehe wir weiterreisen. Die Reparatur kann sofort erledigt werden und wir bestaunen derweil den riesigen Laden, mit allem Zubehör für Motorradfahrer, das man sich vorstellen kann.
Für Material und Arbeit bezahlen wir umger. 200 Euro.

Sortawala
Wir lassen St. Petersburg hinter uns und fahren die A 121 westlich vom Ladogasee entlang. In St. Petersburg hatten wir Glück mit dem Wetter. Das ändert sich jetzt. Erst ist die Strecke gut, aber mit viel Verkehr. Dann passieren wir viele Baustellen, mit langen Wartezeiten.
Zwei Tage Dauerregen, durch unendliche Wälder, mal hügelig und kurvig, dann wieder endlose Geradeausstrecken in wenig besiedelten Gebieten. Die Landschaft verändert sich. Es gibt nun öfter Gewässer, an denen wir entlang fahren.
Der Verkehr nimmt ab. Pause machen wir möglichst dort, wo wir uns trocken hinsetzen können. Hauptsache ein Dach über dem Kopf. Der Regen nervt und zerrt an den Nerven.

Wir erreichen Petrosadowsk, die Hauptstadt von Karelien. Unser Hostel wirkt sehr schön…aber nur auf den ersten Blick. Die Wände scheinen so dünn wie Papier zu sein und man hört jedes Geräusch aus den Nebenzimmern. Und gegen Abend ist dann auch jedes Zimmer belegt. Dann verstopft erst das erste und dann das zweite Gemeinschaftsklo. Das Wasser steht auf dem Boden…niemand kümmert sich. Wir verschwinden morgens, so schnell es geht.

Wie als Entschädigung scheint an diesem Tag die Sonne wieder und wir können die Hauptstrasse verlassen und auch mal kleinere Nebenstrecken fahren.

Petroglyphen
Am 21. Juli erreichen wir die kleine Stadt Belomorsk. In der seenreichen Gegend, abseits von Belomorsk, haben wir einen netten Campingplatz gefunden. Schön am See und einem Wehr gelegen. Wir bleiben zwei Tage. Dass wir jetzt schon hoch im Norden sind, merken wir daran, dass die Sonne erst um 23 Uhr untergeht. Die Nächte sind kurz…aber das ist nur auf die Lichtverhältnisse bezogen, denn es gibt keine Lokalitäten, wo wir uns die Nächte um die Ohren schlagen könnten. Belomorsk ist eine kleine Stadt mit 11.500 Einwohnern. Die Wirtschaft wird durch die Holz- und Fischverarbeitende Industrie bestimmt. Es existieren eine Papierfabrik und ein Sägewerk. Über die Hälfte der Einwohner gehören zum Stamm der Pomoren, die seit dem 12. Jahrhundert hier leben.
In Karelien befinden sich die grössten, ältesten und unberührtesten Wälder Europas.

In der Nähe von Belomorsk gibt es etwas ganz spezielles. Der Weg dort hin führt erst ein paar km über Schotter, dann muss man laufen, denn es geht durch einen dunklen Wald auf einem engen Pfad.

Danach breitet sich plötzlich eine riesige Steinfläche vor uns aus, auf der die alten Karelier ihren Alltag in Stein geritzt und so verewigt haben.

Diese Petroglyphen sind 7000 Jahre alt und lassen das damalige Leben lebendig werden. Rehe, Rentiere, Boote mit rudernden Menschen, kann man deutlich erkennen. Auch eine Art Landkarte. Und je länger man guckt, desto mehr entdeckt man. Mit den Fingerspitzen kann man die eingeritzten Vertiefungen ertasten. Dieser Ort hat etwas mystisches. Spezielle Kräuter aus dem Wald und das Wasser aus dem See, das heilende Wirkung haben soll, wurden für therapeutische Zwecke benutzt. Mit ein bisschen Fantasie, kann man sich vorstellen, wie vor ewigen Zeiten Druiden und Heiler hier am Werk waren.

Über 21 Kilometer hinweg, von der Flussmündung der Wodla bis zu den Inseln Malyj und Bolschoj Turi, reihen sich mehr als 1 200 Zeichnungen aneinander. Es sind mehr als 50 Jahre seit ihrer Entdeckung vergangen, und es sind lange noch nicht alle Zeichnungen freigelegt worden.

Wir verbringen viele Stunden auf den Steinplatten, an den zwei Seen, die an die Steinplatten angrenzen, unter den uralten Bäumen…ein fantastischer Ort.

Polarkreis
Am 22.07 überqueren wir den Polarkreis.

Den arktischen Zirkel. Wir sind hier zur Zeit der arktischen Sonne oder „der Sonne der Mitternacht“. Das bedeutet, dass es nicht dunkel wird. Das passiert uns immer wieder: Wir gehen sehr spät schlafen und wachen gegen 4 Uhr auf und denken, es sei mitten am Tag. Die ständige Helligkeit bringt unseren Schlafrhythmus ziemlich durcheinander. Da hilft nur, sich zum Schlafen eine dunkle Mütze über die Augen zu ziehen….es muss ja nicht schön aussehen.

Murmansk
Die Landschaft verändert sich. Auf dem Weg nach Murmansk sehen wir einen Stand, an dem Bärenfelle, andere Felle, Geweihe, Fellstiefel und Stricksocken verkauft werden. Wir kaufen uns je ein Paar ultradicke warme Socken aus reiner Schafwolle…man weiss ja nie, welche Temperaturen so hoch im Norden auf uns zukommen.

Wir erreichen Murmansk. Diese Stadt gilt als Russlands unentdeckte Arktisstadt. Sie ist die größte Stadt, die sich in der Arktis befindet und beginnt erst langsam, sich dem Tourismus zu öffnen. Murmansk war bis 1991 eine geschlossene Militärstadt. Ganz in der Nähe liegt die russische Nordflotte und die Eisbrecherflotte Atomflot.

Die Stadt hat wenig Schönes zu bieten, ist aber dennoch interessant. Überall finden sich Lenin-Skulpturen. Ein Spaziergang führt uns zum Museumsschiff „Lenin“. Der frühere Atomeisbrecher liegt im grossen Hafen.

Museum Atomboot Lenin
Museum Atomboot Lenin

Gegenüber ist der Umschlaghafen und dort herrscht heute Hochbetrieb. Kohle wird auf Güterzüge verladen.

Zu Fuss kraxeln wir bergauf zum Alyosha-Monument. Die 35 Meter hohe Betonstatue eines Soldaten thront über der Stadt und einem nahe gelegenen Freizeitpark. Blumenkränze aus Plastik liegen ihm zu Füßen. Eine nie ausgehende Flamme brennt und soll an die Verteidigung vor der deutschen Wehrmacht im zweiten Weltkrieg erinnern. Ausserdem hat man von hier oben eine wirklich tolle Aussicht über die Stadt.

In der Stadt gibt es viele hässliche Plattenbauten und auch uralte Holzhäuser, die eine Sanierung dringend nötig hätten. Dennoch sind sie bewohnt.

Wir nutzen zum Teil die günstigen Busse, laufen uns aber auch mal wieder die Füsse wund. Es gibt ein großes Einkaufszentrum und hier merkt man die Verschmelzung von Ost und West. Apple-Stores, Carrefour-Supermarkt und Spar-Supermärkte, sogar H&M finden wir dort. Auch Luxusgeschäfte im Obergeschoss. Ich kaufe mir echte russische Schuhe für 50 Euro, denn meine alten verlieren mittlerweile ihre Sohlen.

An einem Tag unternehmen wir eine kleine Tour Richtung Halbinsel Kola und Teriberka, das auch als russicher Nordpol bezeichnet wird. Zuerst hat die Strasse Asphalt mit ein paar Schlaglöchern. Dann geht es weiter auf einer schottrigen Strecke mit Sand.

Die Tundra breite sich links und rechts aus. Schöne blaue Gewässer blitzen in der Ferne.

An einem Dorf halten wir an, um Fotos zu machen. Plötzlich sehen wir einen wild wirkenden Mann in Unterwäsche, der einen länglichen Gegenstand im Anschlag hat und auf uns zielt. Ist es ein Gewehr? Oder ein Stock? So genau können wir das nicht erkennen. Er kommt immer näher und brüllt irgendwas….keine anderen Menschen in Sicht und eine absolut einsame Umgegend…wir drehen lieber ab und verschwinden.

An einem Badesee machen wir Pause. Einige Leute machen hier Picknick, schwimmen oder paddeln auf dem See. Sie sind interessiert, woher wir kommen und wohin wir fahren und eine Frau schenkt uns Früchte und heissen Hagebuttentee. Vitamine, sagt sie. Das ist so eine herzliche Geste und als wir aufbrechen, kommt sie, und umarmt mich. Ansonsten sind die allermeisten Russen, die wir trafen, erst mal zurückhaltend, vorsichtig und bis man ein Lächeln zurück bekommt, dauert es.

Von Murmansk bis zur Norwegischen Grenze sind es noch 220 km. Diese Strecke kann einen traurig machen, denn sie führt an Industriestandorten vorbei, wo die umliegende Natur durch giftige Stoffe wie verbrannt wirkt. Man mag sich gar nicht vorstellen, unter welchen Umweltbedingungen die Menschen hier leben und arbeiten. An einer Tankstelle machen wir Rast. Gegenüber ist eine riesige Fabrik und es wabbert ein übel riechender Dunst herüber. Uns wird ganz schummerig.
Zwischen diesen Städten sehen wir aber auch Gartenanlagen mit Datschas…wo die Bevölkerung sich ihr Gemüse anbaut und in hoffentlich besserer Luft ihre Freizeit verbringen kann.
Dann führt unser Weg durch eine Militärzone, wo auch mehrmals unsere Pässe kontrolliert werden. Links und rechts der Strasse befinden sich hohe und unüberwindbare Zäune, hinter denen wir Trupps von Soldaten sehen, die im Gleichschritt joggen. Gepanzerte Fahrzeuge patrouillieren hinter dem Zaun und alle paar hundert Meter überwachen Kameras die Strasse.
An der Ortschaft Sputnik möchte George Fotos machen und ein paar alte Panzer fotografieren…aber gleich winkt ein Militärpolizist, der in der Nähe in einem Fahrzeug sitzt und gibt uns zu verstehen, dass das Fotografieren verboten ist.

In dieser Millitärzone hatten unsere Navis übrigens keinen Empfang.

Ja, und dann erreichen wir die Grenze und müssen Russland verlassen. Von diesem unglaublich riesigen Land, haben wir nur einen kleinen Bruchteil gesehen. Was wir sahen und erlebt haben, hat uns gefallen und beeindruckt. Vielleicht kommen wir irgendwann noch mal her.

Die Ausreise geht schnell. Wir müssen die Migrationskarten und die Papier für die zeitbegrenzte Einfuhr der Motorräder abgeben. Tschüss Russland!

Und dann betreten wir am 26. 07. Norwegen für neue Abenteuer.

Russland Video ist zweisprachig, also Deutsche Untertiteln aktivieren:

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2 thoughts on “Russland”

    1. Vielen Dank, Heiko 🙂 Wir haben den Teil Russland, den wir bereist haben, als sehr angenehm empfunden. In jeglicher Hinsicht. Man hat halt zwischendurch diese ewig langen Strecken, die auch mal langweilig werden können. Dafür gibt es dann zur Belohnung absolute highlights, wie z.B. St. Petersburg etc.
      Es lohnt sich 🙂
      Lieben Gruss
      George und Annette

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